Zwar streben wir Debattanten weder eine Meisterprüfung an, noch sind wir (zumindest kann ich hier für mich sprechen) gewillt, alleine von Ort zu Ort zu wandern, um so das Debattieren zu verbessern. Aber die Idee hinter der Walz, das Lernen voneinander, ist doch auch im Debattiersport nicht zu unterschätzen. Und so kam es, dass am vergangenen Mittwoch der Debattierclub Goethes Faust zum ersten Mal in seiner Geschichte die Debattierclubs aus Mainz und Marburg zu sich einlud, um gemeinsam zu debattieren und voneinander zu lernen. Debattiert wurde im Format OPD – eine Herausforderung für einen wahren angehenden Meister. Da es mittlerweile eine fast sprichwörtliche Debattanten-Pünktlichkeit gibt, konnte mit kaum zu erwähnender Verspätung der Trainingstag begonnen werden.
Die Stimmung war von Anfang locker und gelöst und das erste Thema sollte mit „Soll StreetView verboten werden?“ den Debattanten einen leichten Einstieg vermitteln. Zwar war der ein oder andere doch etwas überrascht („Ich hätte den FAZ-Artikel dazu noch lesen sollen.“), insgesamt jedoch waren die Debatten von einem guten Niveau, weshalb die Chefjuroren, Andrea Gau aus Mainz und Willy Witthaut, unser neuer Präsident in Frankfurt, in den beiden Räumen nicht mit Punkten knausern mussten.
Ich für meinen Teil wurde von Andrea juriert. Die Besonderheit von Andreas Jurierung lag dabei darin, das sie nicht nur außerordentlich ausführlich und genau war, sondern auch von vorangegangenen Club-Debatten nicht gefärbt war, wie es Jurierungen im Debattiercluballtag zugegebermaßen bisweilen sind. Darüberhinaus herrschte in den Debatten doch ein gewisser Turnier-Eifer, da man sich ja nicht vor den anderen Clubs blamieren wollte.
Bei der Debatte um die Reform von Hartz IV stellte die Regierung um Nils Zimmermann, Marion Seiche und Benjamin Jungkind den Antrag, zusätzlich zum Hartz-IV-Satz einen Gutschein für Familien auszustellen, der etwa für die Anmeldung im Sportverein oder für Museumsbesuche eingelöst werden könne. Die Opposition aus Mainz hielt dagegen, dass dies nicht nur zur Stigmatisierung der betroffenen führe, sondern auch ungerecht denen gegenüber sei, die zwar arbeiten, aber dennoch mit ihrem Einkommen nur knapp über dem Hartz-IV-Satz lägen.
Beim letzten Thema – „Soll die ärztliche Schweigepflicht in Verdachtsfällen von häuslicher Gewalt aufgehoben werden müssen?“ – standen den Opfern häuslicher Gewalt und der Rechtssicherheit des Arztes einerseits der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient und der Schutz der Mündigkeit des Patienten andererseits entgegen.
Es folgten Pizza, lockere Sprüche („Wenn du meine Mutter aus dem Spiel lässt, lass ich deine aus dem Keller.“) und der für die Debattierwelt selbstverständliche Gang in die Kneipe des jeweiligen Club-Vertrauens: bei Bier, KiBa und Äppler im Club Voltaire klang unser erster Rhein-Main-Lahn-Trainingstag aus – und Pläne für einen nächsten wurden bereits geschmiedet.
Insgesamt gesehen war der Debattiertag in Frankfurt ein voller Erfolg und es bleibt zu hoffen, dass noch weitere Tage solcher Art folgen mögen. Denn Reden lernt man nur durch Reden, wie schon Cicero wusste – und der Geselle wird nur durch Übung zum Meister. Und schon diese Woche gehen wir auf kollektive Walz: zur ZEIT DEBATTE nach Wien an die schöne Donau. Dort wollen wir uns messen mit Meistern und anderen Gesellen – und vielleicht selbst als Meister nach Frankfurt zukehren.
TEXT: BENJAMIN JUNGKIND
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